War Bernd Stelters Witz über Doppelnamen gut, schlecht oder sexistisch? Die aufgeregte Debatte darum (mittlerweile eine bundesweite Auseinandersetzung bei der keine Seite gewinnen kann), kommentieren viele Menschen, das man beim Besuch einer Karnevalssitzung ein entsprechendes Niveau erwarten müsse. Und das der Genuss alkoholischer Erfrischungsgetränke hilfreich sei…

Ja ja, Karneval, Kölsch und Kurze, eine lang erprobte Liaison, so die bundesweite Wahrnehmung des Kölner Karnevals. Das schreckt jedoch keineswegs ab, sondern die Menschen strömen in immer größerer Zahl in die Domstadt um die durch Alkohol getriggerte Ausgelassenheit und Enthemmtheit zu genießen. Auch Jugendliche nehmen diese Kombination als natürlich und Gott gegeben wahr. So wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen. Und eifern den Vorbildern nach, um die ersten Abenteuer ohne Eltern aber mit Alkohol an den tollen Tagen zu erleben. Nicht immer geht das gut.

Deshalb gibt es seit vielen Jahren -nicht nur in Köln- verschiedene Maßnahmen um jugendlichem Alkoholmißbrauch zu begegnen. Als in den 90er Jahren jugendlicher Alkoholkonsum im Kölner Karneval als Problem definiert wurde, initiierte die Stadt Köln die Kampagne „Keine Kurzen für Kurze“. In Kooperation mit vielen weiteren Institutionen konnten in den vergangenen 20 Jahren unterschiedlichste Maßnahmen (von Ordnungspolitik bis zu Streetwork) umgesetzt werden.
Den runden Geburtstag feierten die daran Beteiligten kurz vor Karneval im Forum der VHS. Zur Jubiläumsveranstaltung waren nicht nur Fachkräfte, sondern alle Interessierten eingeladen. Dr. Hans Jürgen Hallmann von der Landeskoordination für Suchtvorbeugung in NRW gewährte Einblicke in die Entwicklung der Prävention. Kooperationspartner boten Aktivitäten wie einen interaktiven Suchtpräventionsparcours (Drogenhilfe Köln) und einen Fahrsimulator (SKM/SkF Köln) an. Darüber hinaus gab und gibt es natürlich weitere interessante Informationen zum Thema, z.B. das laut dem „Alkoholsurvey 2016“ 14 Prozent der 12-bis 17-Jährigen mindestens einen der letzten 30 Tage mit Rauschtrinken verbracht haben (Orth, B. (2017). Der Alkoholkonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland. Ergebnisse des Alkoholsurveys 2016 und Trends. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung).

Dazu muss man anmerken, das eine spezielle Befragung zum Karneval in Köln vermutlich ein deutlich anderes Ergebnis ergäbe. Für alle die sich darüber wundern/staunen oder empören und moralisierend Appelle oder Abstinenzgebote in die Welt senden möchten, es lohnt sich ein Blick sowohl auf die Definition für „Rauschtrinken“ als auch auf die Eingebundenheit mehr oder weniger traditioneller psychoaktiver Substanzen:
Der Konsum von fünf oder mehr Gläsern alkoholischer Getränke bei einer Trinkgelegenheit wird als „Rauschtrinken“ definiert. Vermutlich gar nicht so außergewöhnlich an den tollen Tagen. Sicherlich werden die meisten Erwachsenen bestätigen dass sie 5 oder mehr Gläser mit alkoholischen Getränken während Weiberfastnacht (oder an einem der anderen Tage) zu sich genommen haben. Damit wäre es nach der aktuell geltenden Definition „binge drinking“ (dennoch bei den meisten Jecken unproblematisch und keine Sucht. Die meisten dieser Menschen konsumieren den Rest des Jahres weitestgehend unproblematisch). Karneval und Alkohol gehören eben zusammen wie Karneval und Kostüme, Karneval und Erotik…

Kölsch, Kurze und (seit einigen Jahren) andere psychoaktive Substanzen begleiten und gestalten den Karneval und tragen zur Ausgelassenheit, Ekstase und „Spaß an der Freud“ bei. Sie sind gleichermaßen (Karnevals-)Kultur und -Kult, wie sich z.B. bei Karnevalssongs – nicht erst seit den 90ern – offenbart:

„Darum trinkt Rheinwein, Männer seid schlau,
dann seid am Ende auch ihr kornblumenblau“
(Willy Schneider 30er Jahre)

„Wenn das Wasser im Rhein, gold’ner Wein wär
ja dann möcht‘ ich so gern ein Fischlein sein.
ei, wie könnte ich dann saufen
brauchte keinen Wein zu kaufen“
(Willy Schneider, 50er Jahre)

„Drink doch ene met,
stell dich nit esu ann“ (Black Föös 70er Jahre)

Da simmer dabei! Dat is prima! Viva Colonia!
Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust
wir glauben an den Lieben Gott und ham auch immer Durst
(Höhner 2004)

„Maach noch ens die Tüt an, he is noch lang nit Schluss,
un uch noch en Fläsch op, ich will noch nit noh Huus.
Ich kenn en paar Schüss, die han jenau wie mer,
Bock op en Party, sag dat jeit doch hier.

Kumm, maach keine Ärjer, maach uns keine Stress.
Mer sin uch janz leis un maache keine Dress.
A beßje jet rauche, jet suffe un dann
loore ob mer mit dä Schüss jet danze kann.“
(Brings 2001)

Daraus sollte man weder ein Drama machen, noch eine kollektive Suchtproblematik diagnostizieren, sondern verstehen, dass Jugendliche gemäß der alten Weisheit „So wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen“ die vorgelebten Strategien nutzen um ausgelassen zu feiern. Wie aber nun damit umgehen? Je nach Auftrag und Haltung ergeben sich für die verschiedenen Institutionen unterschiedliche Maßnahmen. Suchtprävention versucht dazu beizutragen, dass sich keine Abhängigkeit entwickelt. Vorhaltungen sind weniger hilfreich als die Unterstützung der Selbstreflektion und die Begleitung zum genussvollen, sozial verträglichen Konsum, sozusagen einer „Konsummündigkeit“ (altersentsprechend). Weitere Informationen finden sie in den folgenden Links zum Thema:

https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/gesundheit/sucht/keine-kurzen-fuer-kurze?kontrast=weiss
Infos zur Kampagne

https://www.sucht-bildung.de/specials/11er-rat/
Infos für Eltern und pädagogische Fachkräfte zu den Themen Alkohol und Karneva

https://alkoholpraevention-koeln.de/projekte/projekt_information.html
Hilfe für Jugendliche mit schädlichem Alkoholkonsum und Unterstützung für Eltern

https://www.ginko-stiftung.de/material.aspx
Infomaterial zu Alkohol u.a.

Zum Schluß noch ein passendes Zitat von Wilhelm Busch:
„Wie fleißig wurde über Nacht das Glas gefüllt und leer gemacht.“
In diesem Sinne
Kölle Alaaf! Wilhelm Busch Alaaf! Dreijestirn Alaaf! ;-)

Und allen Musikern vielen Dank für die Lieder!